19.07.2023
Die Baustelle Großer Markt 10 in Perleberg war schon in jüngerer Vergangenheit Ort vieler archäologischer Funde, die einen neuen Blick in die Stadtgründungszeit und sogar in die Zeit davor ermöglichten. Jetzt gibt es weitere neue Erkenntnisse, die die schon bisher gewonnenen Einsichten noch einmal vertiefen und den Rückschluss erlauben: Perleberg war im 13. Jahrhundert voll eingebunden in das Kaufmannsnetzwerk der Hanse.
Tief muss man graben, um unter den aktuellen Gebäuden im Komplex Großer Markt 10 auf die Schichten zu stoßen, die Aufschluss geben über die Stadtgründungszeit. Dort, wo schon bald der Verbindungsbau zwischen dem Haus Großer Markt 10 und dem alten Kinosaal an der Schuhstraße entstehen soll, waren schon vor einigen Monaten erstmals Überreste eines Gebäudes gefunden worden, das auf die Stadtgründungszeit zurückzudatieren ist.
Im Kinosaal gab es nun weitere Funde. Hier ist man auf Überreste eines Steinwerks gestoßen, ein mit ca. 13 Metern Innenlänge vergleichsweise großes festes Gebäude, das offenbar als Nebengebäude gleichzeitig mit dem ursprünglichen Patrizierhaus am Großen Markt 10 entstanden war.
Datiert wird es nach Angaben des baubegleitenden Archäologen Thomas Hauptmann etwa auf das Jahr 1300, in der Regel waren solche Gebäude quadratisch angelegt. Hauptmann konnte am Montag bei einem Pressetermin auch Ziegelreste des Bauwerks präsentieren.
Torsten Geue, Mitarbeiter im Sachbereich Denkmalschutz bei der Kreisverwaltung und als solcher zuständig für Bodendenkmalpflege, ergänzte, dass es der erste Nachweis eines solchen Steinwerks in unserer Region ist. Typisch sind solche Beigebäude für Kaufmannshäuser für den eher nördlichen Raum und für Hansestädte. Das lässt darauf schließen, dass Perleberg damals gut eingebunden war ins Handelsnetz der Hanse.
Das lässt sich auch anhand des Funds einer französischen Silbermünze, einer sogenannten Turnose aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, vermuten. Gefunden wurden viele weitere Gegenstände, etwa zwei kleine Gewichte für eine Waage, aber auch Lederreste des Schuhmacherhandwerks, das in der Stadtgründungszeit in Perleberg eine entscheidende Rolle spielte – die Ersterwähnung der Stadt ist mit der Schusterinnung verbunden. Ein goldener Messerscheidenbeschlag deutet auf Wohlstand hin, ebenso ein bronzener Schiebeschlüssel aus dem 13. Jahrhundert.
Gefunden wurden auch Reste eines alten Holzfasses, das auch als Brunnen gebraucht werden konnte. Wahrscheinlich stammt es aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, doch gibt es laut Thomas Hautmann noch keine dendrochronologische Datierung des genauen Zeitpunktes..
Beim Großen Markt 10 handelt es sich um ein großes Bauvorhaben, bei dem die Stadt Bauherr ist, wie Pierre Eikhoff, Sachbereichsleiter Hoch- und Tiefbau bei der Stadt Perleberg, erklärte. Das Vordergebäude, also der aus dem Jahr 1860 stammende Nachfolgebau des alten Kaufmannshauses Großer Markt 10, soll saniert werden und später Stadtinformation und Stadtbibliothek beherbergen.
Das einstige Speichergebäude an der Schuhstraße, das von 1920 bis 1962 als Kino genutzt wurde, soll nun zum Veranstaltungssaal ausgebaut werden. Dabei will man die historisch interessante Empore erhalten. Zwischen beiden Gebäuden soll ein Verbindungsbau entstehen, und zwar als Pfahlgründung. Insgesamt betragen die Baukosten etwa sechs Millionen Euro.
Auftraggeber der Arbeiten ist der städtische Sanierungsträger BIG Städtebau, für den Tino Rawald betonte, dass Verzögerungen bei den Arbeiten nicht der umfangreichen Archäologie geschuldet sind, sondern anderen Schwierigkeiten beim Bau. So benötigte das Haus Großer Markt 10 eine aufwendige Unterfangung zur Sicherung des Gebäudes. „Das war nicht einfach, aber jetzt sind wir frohen Mutes, dass wir Ende Juli damit durch sind.“
Die Bohrpfahlgründung für den Verbindungsbau soll dann in der zweiten Augustwoche anstehen.
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