Die um wenige Grad um die Ost- West- Achse verschwenkte Grubenreihe passiert den nördlichsten Punkt des „Königsgrabes“ in einer Entfernung von 53 m. Zwar sind die Gruben mit einem Abstand von durchschnittlich 1,85 m perlschnurartig aufgereiht, jedoch entspricht der Befund keinesfalls einer exakten Geraden. Die Untersuchungen belegen vor allem in der Mitte und im Westen der Reihe geringfügige Abweichungen einzelner Gruben und ganzer Gruppen von Gruben. Dies spricht dafür, dass die Grubenreihe nicht in einem Zuge oder nicht durch die gleiche Gruppe von Menschen errichtet wurde. Nach Radiocarbondatierungen (C 14) erfolgte der Bau der Reihe um 900 v. Chr., also kurz vor oder gleichzeitig mit dem „Königsgrab“.
Grubenreihen sind ein bekanntes Phänomen der jüngeren Bronzezeit im nördlichen Mitteluropa. Sie kommen auch als Mehrfachreihen vor. Meist bleiben sie ohne erkennbaren Bezug zu Siedlungen und Bestattungsplätzen. Anders in Seddin! Hier besteht ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zu einem herausragenden Monumentalgrab. Die meisten Archäologen deuten die mit hitzerissigen Steinen gefüllten Gruben als Kochgruben, die bei wiederkehrenden Anlässe in rituellem Zusammenhang angelegt wurden. Kochgruben sind für Seddin aber mehr als fraglich, denn in den Gruben haben keine Feuer gebrannt. Die brandrissigen Steine sind derart dicht gepackt und ineinander verkeilt, dass sie erst nach einer Abkühlung in die Gruben gelangt sein können. Außerdem ist die antike Entnahme von Steinen, wie sie für Kochgruben wegen der Herausnahme des Kochgutes typisch ist, hier nur selten bezeugt und hatte deshalb wohl eher andere Motive. Die Feuer, in denen man die Steine erhitzte, brannten abseits der Grubenreihe – möglicherweise bei einer rituellen Weihung des Areals für das Monumentalgrab, bei dessen Errichtung oder bei der anschließenden Heroenverehrung. Einiges spricht dafür, dass man die Überreste dieser Feuer anschließend in der Grubenreihe rituell „bestattete“. Zugleich dienten die Reihe wie auch das Monumentalgrab der räumlich-rituellen Strukturierung der Landschaft.
Bei einer Erkundung des nördlichen Vorfeldes des jungbronzezeitlichen „Königsgrabes“ wurde im Juni 2002 eine mit Steinen, Branderde und ein wenig Holzkohle gefüllte Grube entdeckt und als „Feuerstelle“ gedeutet. Beim Bau des Radweges im Frühjahr 2003 traten acht dieser „Feuerstellen“ zutage, die in einer Reihe angeordnet sind. Von nun an wurde der Begriff „Feuergrubenreihe“ oder „Kultfeuerreihe“ verwendet. Animiert von der Befundsituation erfolgte im Sommer 2003 die zerstörungsfreie „Durchleuchtung“ des Areals mit geophysikalischen Methoden. Dabei zeigte sich die wahre Dimension der „Feuergrubenreihe“: rund 150 Gruben erstrecken sich nahezu Ost-West ausgerichtet auf 290 m Länge. Etwa 70 Gruben sind jetzt an der Geländeoberkante an ihren realen Standorten so nachgebildet, wie sie dem Archäologen bei der Ausgrabung entgegentreten würden.
Da nur etwa 20 Gruben archäologisch freigelegt und noch weniger davon vollständig untersucht wurden, bleiben die meisten von ihnen ca. 20 cm unter den Nachbildungen erhalten. Ihre Durchmesser liegen zwischen 0,6 und 1,0 m, die Tiefe beträgt bis zu 0,8 m. Fast alle Gruben sind mit faust- bis kopfgroßen Steinen dicht gepackt und randvoll gefüllt, nur bei sehr wenigen hat man Steine antik wieder entnommen. Die Steine weisen oft Brandspuren auf, weil sie im Feuer gelegen haben. Für drei Gruben konnte das Gewicht der Steine ermittelt werden. Es beträgt zwischen 183 und 242 kg. Bei einem Mittelwert von etwa 210 Kilo pro Grube, ergibt das etwa 31,5 Tonnen verbaute Steine in der gesamten Reihe. Außer den Steinen enthalten die Gruben nur Holzkohle und oft auch vom Feuer geschwärzte Erde.
Jens May, BLDAM
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